IWA 2025: VORFREUDE

Nach einigen Jahren Abstinenz plane ich in diesem Jahr wieder auf der IWA, stattfindend in gut zwei Wochen, vorbeizuschauen. Natürlich sind allgemeine Neuheiten dabei interessant und auch das ein oder andere Ungewöhnliche wird sich in einer Ecke finden. Aber wie schon bei meinem letzten Besuch im Jahr 2019 (IWA 2019 -Laugo Arms Alien), habe ich ein Produkt ausgewählt, dem ich etwas mehr Aufmerksamkeit widmen möchte.

Das Produkt ist nicht neu, es war auf der letztjährigen IWA vertreten sowie auch auf der diesjährigen shotshow in Las Vegas vor einigen Wochen. Es handelt sich um das „Gungnir Enhanced Rifle System“ von „Ivaldi Industries“ wie es auf der Website beschrieben wird. In den zugehörigen Patenten DE102019135856A1, DE102019132880A1 und DE102019124569A1 kommt es mit dem Anmelder Präzisionstechnik Volkach GbR und den Erfindern Alber, Wilfried und Holthaus, Georg etwas lokaler daher.

Die vordergründigen Eigenschaften des Gewehrs, wie sie auch in Videos von der IWA 2024 bzw. shotshow 2025 zumindest ansatzweise dokumentiert werden, sind:

  • Multikaliber
  • Bullpup
  • Geradezug

So weit so gewöhnlich bzw. in dieser spezifischen Kombination doch etwas außergewöhnlich aber immer noch nicht vom Hocker reißend. Für mich besonders macht dieses Gerät, neben der Kombination die Art und Weise wie diese Eigenschaften umgesetzt und kombiniert werden, die Ingenieur-mäßige Komplexität des Abzugsmechanismus, der absurde Fertigungsaufwand für beispielsweise die integrierte Längenverstellung und der allgemeine Aufwand in der Entwicklung des Systems um es so kurz wie möglich zu machen. Dabei wird maximale Lauflänge in minimaler Gesamtlänge untergebracht und damit, in meiner bisherigen Einschätzung, das Desert Tech SRS übertroffen. Exakte technische Daten konnte ich allerdings noch nicht finden. Dazu kommt meine Vorliebe für alles, was ein Bullpup ist. Mein Projekt Bullpup Remington 700 in den Teilen 1 bis 8 auf diesem blog war dahingehend zwar nicht erfolgreich, ich werde aber in den kommenden Tagen den ersten Beitrag einer neuen Reihe zu einem Tikka T3x basierten Bullpup online stellen.

In Bezug auf den Lauf bzw. dessen Einbindung in die Waffe ähnelt das Gungnir ERS einer Desert Tech bzw. anderen Multikaliber Gewehre recht stark. Der Lauf ist mit einer Endhülse, ähnlich einer AR-15 typischen barrel extension, verschraubt, die die Verriegelungsflächen für den Verschlusskopf enthält. Damit ist das alle Komponenten zusammenbringende Chassis nur zur Übertragung der Rückstoßkräfte vorgesehen. Besonders ist dabei, dass die Verriegelungsflächen nicht in der typischen, zur Laufachse senkrecht ausgerichtet sind, sondern schraubenartig mit gewinkelten Flanken ineinandergreifen. Zusätzlich sind diese so ineinander verschränkt, dass die Kräfte die Endhülse zusammenziehen. Gut erkennbar in nachfolgendem Bild aus DE102019132880A1:

Dabei ist 10 die von mir beschriebene Endhülse mit dem regulären Gewinde 7 zur Aufnahme des Laufs, 25 der Verschlusskopf und an diesem die, nach hinten geneigten, Gänge des unterbrochenen Gewindes (16). 55 sind nach meiner Interpretation die Schnittstellen zur Kraftübertragung auf das Chassis des Gewehres.

Typisches „Problem“ eines Multikaliber Gewehres ist, dass der Magazinschacht zur Aufnahme des Magazins für das größte Kaliber geeignet sein muss. Das Gungnir ERS wird beworben mit den Kalibern von .223 Remington bis .50 BMG, also einer Spannweite von CIP L6 maximal Längen der Patrone von 57,4mm bis 138,48mm. Um das Gewehr nicht grundsätzlich gut 80mm länger zu machen als es sein müsste, kann das Chassis des Gungnir ERS in der Länge verstellt werden, entsprechende konkave und wellenförmig ausgeführte Rastpunkte, vermutlich gewählt zur Minimierung bzw. Eliminierung von „Spiel“ zwischen den einzelnen Bauteilen. Die nachfolgenden Abbildungen aus DE102019135856A1 zeigen diese im Detail und auch die generelle Konfiguration des Gewehrs mit der Längenverstellbarkeit, um sich an die Abmessungen des Magazins anpassen zu können. Dabei ist der untere Teil des Chassis 5 bzw. 3 sowie Schaftkappe und Unterbau der Wangenauflage 2 statisch, Abzugsgehäuse 4 und Griffstück 7 können verschoben werden. In / auf 4 wird die Aufnahme für Lauf/Laufendhülse eingesetzt, auf / an dieser befindet sich die Montageschiene für Zieleinrichtungen und der Vorderschaft.

Das dritte Patent aus der Reihe DE102019124569A1 widmet sich dem „Schlosssystem“, also allem zwischen Abzug und Schlagbolzen. Das Ganze ist aus meiner Sicht höllisch kompliziert, zwei wesentliche Punkte für mich sind:

  • Es gibt einen Hammer (im Patent als Schlagstück bezeichnet), dieser sitzt oberhalb der Laufachse, die Bewegung des Abzugs wird über eine Art Ring um den Lauf / Endhülse herum nach oben für die Auslösung des Hammers übertragen.
  • Der Hammer / das Schlagstück wird in seiner gespannten Position durch die Konstruktion als Kniehebel oberhalb der entsprechenden Hammerfeder gehalten, wenn er in gesicherter Stellung ist. Dadurch wirkt nicht nur die Sicherung mechanisch gegen den Federdruck, der das Schlagstück Richtung Schlagbolzen bewegen will, sondern der Federdruck selbst drückt das Schlagstück in die entgegensetzte Richtung.

Nachfolgend das Schlagstück und zugehörige Teile im entsicherten, gespannten, abgeschlagenen und überstreckten Zustand:

Ein wesentlicher Teil, um ein Bullpup so kurz wie möglich zu halten, ist ein sehr kurzer Verschluss, nach Ansicht von Bildern übertrifft das Gungnir Enhanced Rifle System hierbei meiner Meinung nach das Desert Tech SRS. DE102019135856A1 zeigt in Abbildung 15 den Verschlusskopf im Verschlussträger auf der Führungsschiene mit den Langlöchern zur Befestigung des Schiebegriffs, bei einem regulären Gewehr der Kammerstengel. Nach dem Verschlussträger folgt nur noch eine Abschlussplatte 2 und dann die Schaftkappe, hier nicht abgebildet.

Wesentlich kürzer als das wird es dann nur noch mit einer vertikalen statt horizontalen Verschlussbewegung wie etwa bei einem Steyr ACR aus dem amerikanischen ACR Programm der 1980er Jahre, aus dem auch das H&K G11 hervorging, oder dem sowjetischen TKB-022PM Sturmgewehr.

Ich freue mich in jedem Fall sehr das Gungnir Enhanced Rifle System auf der IWA 2025 hoffentlich etwas genauer unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls einige Worte mit den Entwicklern wechseln zu können.

H&K P9S Puffergehäuse, Teil 3

Endlich fertig!

Die zweite Nacharbeit der Prototypen war ein Volltreffer, die Puffergehäuse haben perfekt in die beiden Waffen im Kaliber 9mm und .45 ACP und gepasst! Die noch sichtbaren blanken Stellen sind jene, an denen das Metall nochmals nachgearbeitet wurde, die Teile werden natürlich nochmal komplett brüniert.

Die heutige Erprobung der Teile auf dem Schießstand lief zudem in beiden Waffen fehlerfrei!

Im nächsten Schritt werden die Gummipuffer hergestellt. Dazu sind die Originalteile bereits in Ihrer Shore-Härte vermessen worden, um das korrekte Rohmaterial zu besorgen.

Nachtrag August 2022:

Die Puffergehäuse sind mittlerweile zur Serienreife entwickelt, allerdings wurde die Nachfertigung der Elastomerpuffer nicht weiter verfolgt, da diese für relativ wenig Geld bereits in sehr guter Qualität als Nachfertigung von einem anderen Anbieter verfügbar sind.

H&K P9S Puffergehäuse

Das Hintergrundbild der H&K P9S stammt von Wikipedia, die genaue Quellenangaben stehen in den folgenden beiden Absätzen.

Von Rizuan (talk) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9086956

https://de.wikipedia.org/wiki/HK_P9S#/media/Datei:HK_P9S_PDRM.jpg

Der ehemalige Besitzer meines zweiten (jetzt bei einem Händler eingelagerten) AG42B Ljungman ist ebenso Besitzer einer Pistole P9S von Heckler & Koch. Da er nicht nur eine flüchtige Bekanntschaft im Rahmen des Ankaufs ist, hatte ich während des Projekts AG42B und insbesondere während der Entstehung dessen Ersatzteile häufiger Kontakt zu ihm. Das brachte ihn auf die Idee, die mittlerweile sehr raren und somit leider auch teuren Puffergehäuse für die P9S bei mir als Nachfertigung anzufragen. Leider brechen diese Teile nicht selten im Gebrauch, insbesondere, wenn sich der innenliegende Elastomerpuffer zerlegt und man diesen Umstand nicht gleich bemerkt. Sämtliche Kräfte des Repetiervorgangs wirken dann ungebremst auf die konkave Geometrie auf der Oberseite des Puffergehäuses ein, die unter dieser Belastung abbricht.

Das Vorhaben einer Nachfertigung wurde mit H&K abgestimmt. Da die Produktion dieser Pistole aber bereits im Jahr 1995 eingestellt wurde, spielen Patente (20 Jahre) und Gebrauchsmuster (10 Jahre) rechtlich gesehen zudem keine Rolle mehr. Die Puffergehäuse werden sowohl für das Kaliber 9mm, als auch für das Kaliber .45 ACP / .45 Auto. verfügbar sein. Den Elastomerpuffer möchte ich bei dieser Gelegenheit auch noch angehen, aber alles zu seiner Zeit.

Aktuell sind bereits Teile in der Anfertigung, ich rechne damit, dass die Erprobungsphase dann spätestens Mitte Mai 2021 beginnt – ich werde weiterhin berichten!